Ablauf einer Unternehmensnachfolge

von Dr. Heribert Warken

Ein erfolgreiches Unternehmerleben wird gekrönt mit einer erfolgreichen Unternehmensübergabe. Im Zeitraum 2022 bis 2026 sollen laut einer Studie des IfM Bonn etwa 190.000 Unternehmen übertragen werden; hiervon die meisten in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Versucht man die Unternehmensübertragungen zu strukturieren, so gibt es hierbei grundsätzlich nur drei Möglichkeiten:

Entweder das Unternehmen wird auf
a) Abkömmlinge,
b) Mitarbeiter, welche bereits im Unternehmen arbeiten, oder
c) Es wird ein „EXIT“gemacht; d.h. das Unternehmen wird entweder verkauft, oder die Geschäftstätigkeit eingestellt.

Aber wie beginne ich nun so einen Nachfolgeprozess ? Wie ist der logische und zeitliche Ablauf ? An was muss „Mann“ oder „Frau“ denken, wenn er oder sie in diesen Prozess einsteigen will?

Ein Nachfolgeprozess durchläuft in der Regel vier Phasen:

1. Phase: Bestandsaufnahme

Familienrechtliche Inventur

In der ersten Phase muss zunächst einmal eine Bestandsaufnahme gemacht werden. Hierbei ist der erste Schritt eine „familienrechtliche Inventur“. Bei dieser Inventur geht es um das Thema Vollmachten und Verfügungen. Ein in der Praxis häufig vernachlässigtes Thema ist das Thema „Vollmacht für die Gesellschafterstellung“. In der Regel gibt es Vollmachten für die operative Geschäftstätigkeit im Unternehmen, aber seltenst auch Vollmachten für die Stellung als Gesellschafter. Dies kann im Einzelfall sehr unangenehme Auswirkungen in der Praxis haben, wenn der Gesellschafter auf Grund eines Unfalls z.B. temporär keine Willenserklärungen abgeben kann.

Ebenso geht es in diesem Bereich auch um das Thema Vorsorgevollmacht und Patientenverfügungen und last but Not least auch um das Thema letztwillige Verfügungen. Ich weiss, dass das Thema sich mit seinem Tod auseinanderzusetzen den meisten Menschen Unwohlsein bereitet; aber es gefährdet Unternehmen und Familie, wenn Sie es als Unternehmer nicht tun.

Erstellung eines Notfallordners

Es gibt viele wichtige Dokumente, welche im Notfall benötigt werden, aber wo sind die ? In der Regel befinden sich wichtige Dokumente an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Ordnern. In der Regel ist es sehr häufig auch so, dass nur der Unternehmer selbst einen kompletten Überblick über die wichtigen Dokumente hat und wo diese zu finden sind.

Sollte aber dieses Wissen im Notfall nicht zur Verfügung stehen, wird es für Dritte schwierig. Hier hilft ein Notfallordner, an dem alle wichtigen und wesentlichen Informationen zusammengetragen werden.

Ein Musterinhaltsverzeichnis, welches an ihre Verhältnisse noch angepasst werden kann, finden sie hier.

Dieser Notfallordner ermöglicht es einem sachverständigen Dritten sich in angemessener Zeit einen Überblick über alle wichtigen Themen zu verschaffen und spart somit eine Menge Zeit und Ärger. Außerdem machen Sie häufig ihren Ehepartner glücklich, da er hierdurch eine Sicherheit bekommt, die er vorher so in der Regel nicht hatte.

Vermögensinventur

Der Notfallordner kann nunmehr auch als Leitfaden genutzt werden, um eine Vermögens- und Schuldeninventur zu machen. Auch diese Vermögensinventur spielt für die eigenen Nachfolgeüberlegungen eine wichtige Rolle. Wer soll was wann wie bekommen ? Häufig hat man bestimmte Vermögens- bzw. Schuldpositionen gar nicht mehr so „auf dem Schirm“ bzw. Kennt den aktuellen Stand gar nicht. Die Vermögensinventur dient dem eigenen Überblick und wird voraussichtlich in nicht allzu ferner Zukunft im Rahmen einer potentiellen Vermögensabgabe sowieso wieder benötigt.

Unternehmensbewertung

Das Unternehmen stellt in aller Regel den vermögensmäßig wertvollsten Gegenstand der Nachfolge dar. Daher muss man überhaupt erstmal wissen: wieviel ist denn mein Unternehmen überhaupt wert ? Diese Frage könnten Sie sich zwar durch Recherche im Internet vielleicht selber näherungsweise beantworten. Da Sie aber auch aus steuerlichen Gründen bei der Unternehmensübergabe sowieso eine Unternehmensbewertung benötigen, sollten Sie sich hier qualifiziert fachliche Hilfe holen.

2. Phase: Familienstrategie

Ist die sachliche Bestandsaufnahme erfolgt, kommt nun der wichtigste Teil: der emotionale Teil der Nachfolge. Wer kann und will das Unternehmen übernehmen ? Wie kann und soll das restliche Vermögen aufgeteilt werden? Fragen die geklärt werden wollen.

Wichtig ist hierbei auch die Familienmitglieder in Gesprächen mit einzubeziehen. Ich habe häufig erlebt, dass Unternehmer aus ihrem „Elfenbeinturm“ Entscheidungen zur Nachfolge getroffen haben, welche aus sachlicher Sicht nachvollziehbar waren, aber leider nicht funktioniert haben, weil sie die Wünsche des Gegenübers nicht berücksichtigten. Und beachten Sie bitte als Unternehmer(in) bei ihren Entscheidungen immer, dass ihre Kinder sie und ihre Aussagen in erster Linie als Aussagen von Papa bzw. Mama wahrnehmen und nicht als die des Unternehmers. Und häufig werden viele Dinge dann auch nicht ausgesprochen, weil die Kinder nicht undankbar erscheinen wollen, obwohl sie vielleicht eine andere Meinung oder andere eigene Pläne haben.

Hier ist es wichtig eine offene Gesprächskultur zu pflegen, sowohl in Einzelgesprächen mit jedem einzelnen Kind, als auch in der Familie.

Aus meiner Erfahrung sind die Vereinbarungen und Absprachen, welche das Resultat dieser Phase sind erheblich bindender auch für die nachfolgende Generation untereinander, als jede letztwillige Verfügung und helfen auch bei „Auslegungsfragen“, da die Intention der Eltern gemeinschaftlich besprochen wurde.

Sollte es um eine Nachfolge von mehreren Kindern im Unternehmen gehen, sollten frühzeitig auch Richtlinien für die Unternehmensführung gemeinsam erarbeitet werden.

3. Phase: Vorstrukturierung

Häufig ist es notwendig für die Nachfolge im Vorfeld steuerliche Umstrukturierungen vorzunehmen.Und gerade hier gilt es zeitlichen Puffer einzubauen. Es geht um ggf. die Einholung einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt um eine Rechtssicherheit zu erhalten. Es geht aber auch um  notwendige Ein- bzw. Umtragungen von Eigentumsverhältnissen bei Grundstücken oder bei Gesellschaften. Häufig werden Notare benötigt. Termine mit mehreren Fachleuten sind zu koordinieren. Das geht nicht, wenn man zeitlich unter Druck steht und alles morgen geregelt haben muss.

Deshalb fangen Sie frühzeitig genug an! Die Übergabe eines mittelständischen Unternehmens dauert je nach Komplexität  in der Regel zwischen 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Und wer hier zu spät anfängt, den bestraft das Leben.

4. Phase: Umsetzung und Nachjustierung

Ist die notwendige Vorstrukturierung erfolgt, kann nunmehr das Unternehmen auch rechtlich und steuerlich wirksam übergeben werden und die in der Familie besprochenen Dinge auch entsprechend umgesetzt werden.

Gerade die letzten Jahre haben uns jedoch gelehrt, dass ein grundsätzlich gut durchdachter Plan ggf. Auch vor dem Hintergrund neuer externer Faktoren neu überdacht und nachjustiert werden muss. Auch hierfür muss man offen bleiben und mit allen Betroffenen besprechen.

Und denken Sie immer daran:

Nothing is certain, except Death and Taxes (Benjamin Franklin)